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Abgesang auf den Kulkwitzer See


Der Kulkwitzer See war immer ein beliebtes Ausflugsziel für die Leipziger. In den letzten Jahren änderte sich das jedoch drastisch. Plötzlich, nach 400 Meter, steht man vor einem Tor, das nur zahlende Camper passieren dürfen. Das berühmte Restaurantschiff ist pleite und das gastronomische Angebot eine Katastrophe.


Ich war dieses Jahr das erste Mal am Kulkwitzer See. Geplant war ein Familienausflug mit Oma, Frau und Kind. Einfach mal Kaffeetrinken und Eis essen im Piratenschiff. Doch schon aus der Ferne verunsicherte mich etwas. War das Piratenschiff "Santa Anna" nicht braun, statt weiß? Na gut, vielleicht schippern die Piraten gerade durch Alaska und wollten sich der Farbe der Eislandschaft anpassen. Vor dem Schiff standen Imbissbuden und der Freisitz war gefüllt. So wunderte ich mich auch nicht, dass im Schiff alles demontiert war, als ob sie sich im Umbau befinden. Die Toiletten waren noch zugänglich. Gut, egal ob Kaffe aus dem Schiff oder vom Imbiss - Kaffee ist Kaffee. Doch leider war der Kaffee ausverkauft. Und von der Bedienung erfuhr ich, dass "Santa Anna" Pleite ging und ein neuer Pächter für das Schiff gesucht wird. Na das hat mich aber wirklich verwundert. Wie kann den so eine beliebte Lokalität plötzlich Pleite gehen?

Meine Mutti war natürlich enttäuscht. Kaffee gehört zu ihr wie die Demokratie zur Freiheit. Ich sagte: "Mutti, kein Problem ... da hinten kommt noch ein Freisitz..." Also begnügten wir uns mit einem Eis von der Stange und marschierten anschließend weiter, ca. 300 Meter. Am linken Wegrand fiel die Umzäunung recht schnell in den Fokus. Gut, das ist der Bereich der zahlenden Camper. Die stören ja niemand. Bei dem Freisitz angekommen, dem "Seegarten", musste ich aber mehrfach hinschauen. Der Freisitz war nicht eingezäunt, aber die Imbissbaracke wurde durch einen Zaun wie einst Berlin getrennt. Die "Grenze" verlief mitten durch den Imbiss. Die "freie" Bude hatte nur ein kleines Fenster für die Eisausgabe. An der Tafel stand jedoch etwas von Kaffee, Schnitzel, Pommes, Fischbrötchen, Pflaumenkuchen und anderen Dingen, bei denen mir das Wasser im Munde zusammenlief. Aber offenbar musste man dazu die "Grenze" passieren, auf die andere Seite der Imbissbude gelangen. Und das war nur Bewohnern der "Camping-Zone" möglich.

Das ist ja wie zu tiefsten Ost-Zeiten, dachte ich mir. Die Einheimischen und seit Jahrzehnte wiederkehrenden Besucher werden durch Stacheldraht und Legitimationskontrolle vom Betreten "ihres" Ausflugszieles abgehalten. Im freien Bereich ist der Uferbereich des Sees unordentlich, im abgesperrten "West Sektor" wurde feiner Sand in den Uferbereich geschleppt um ein Ostsee-Feeling für zahlende Camper aufkommen zu lassen. Ich selber war fast jedes Jahr am Kulki, und wenn es nur zum Kaffeetrinken und Eis essen war.

Ich habe den See nicht immer umrundet, kann mich aber an keine "Mauer" erinnern. Der Fahrer des Eis-Autos meinte auch, das sei erst neu. Er muss es ja wissen.


Geschlossene Gastro-Einrichtung am Kulkwitzer See
Geschlossene Gastro-Einrichtung am Kulkwitzer See 
Foto:RSM 

Wie kann man ein jahrzehntelang erfolgreiches Ausflugsziel derart einmauern, auf saisonale Einnahmen durch Camper im Sommer rechnen und damit die ansonsten über das ganze Jahr kommenden Besucher abwürgen und dem Piratenschiff in die Pleite treiben? Die Camper sind nur in den warmen Monaten vor Ort und bringen Geld mit. Die große Masse der Besucher kommt jedoch über das ganze Jahr, zu allen Jahreszeiten und bringt Geld in die Kassen. Eine Marktwirtschaft scheint es am Kulkwitzer See nicht zu geben. Eher eine Planwirtschaft über die Minderheit der saisonalen Camper. Es ist schade. Seid 30 Jahren war für mich der Kulkwitzer See in Leipzig eine heile Welt. Der See, die Landschaft, der angrenzende Wald und die vielen Spielplätze oder gastronomischen Einrichtungen. Bei meinem letzten Besuch musste ich feststellen, dass es 17 Uhr am gesamten (freien) Kulkwitzer See keinen Kaffee, Kuchen oder Pommes zu essen gab. Wen soll es da noch zum "Kulki" ziehen? Man könnte meine, es herrsche eine Misswirtschaft wie sie der DDR nachgesagt wird. Nur dass in der DDR der Kulki brummte und die Stadt Leipzig wusste was sie tat. Die privaten Investoren heute haben weniger Weitblick als die Stadtväter vor 20 Jahren. Für mich und meine Familie heißt die Konsequenz: Erholung findet man am Kulki nicht mehr, aber an der Schladitzer Bucht oder den vielen neuen Seen rund um Leipzig. Der Kulki gräbt sich seiner Kommerzialisierung selbst das Wasser ab.


Autor: nokiland


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