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Ein Leben im Kinderheim Machern



Teil 9: Das ganz persönliche Wort zum Sonntag


Das Thema "DDR" ist in jeder Hinsicht ein kontroverses Thema. Jeder scheint sie anders erlebt zu haben.


Flagge der Deutschen Demokratischen Republik
Die einen sind der Meinung, volle Ladenregale hätten vor 20 Jahren uns Ossis zu glücklicheren Menschen gemacht. Wo wir heute doch glücklich darüber sind, einen Mercedes kaufen zu können, statt einem Trabi.

Andere vermissten damals ihre Meinungsfreiheit, die sie heute auch nicht einsetzen um das System zu verbessern. Die freie Meinung läßt sich doch viel bequemer in einem Forum vor unbekannten Lesern vertreten, als auf der Straße wo man Angst haben muss, von der Polizei wegen einer unerlaubten Kundgebung verhaftet werden zu müssen.

Für die nächsten war die DDR das blanke Rotlicht-Solarium. An jeder Ecke blinkte etwas Rotes. Sogar die Ampeln waren damals Rot. Bestimmt eine Erfindung der Kommunisten. Und in der Schule mussten wir zu Marx und Lenin „beten“. Wer das nicht tat, kam in den Kinderknast, einem Kinderheim.

Na prima. Sollen wir sowas unseren Kindern erzählen? Was gibt es für einen Grund, die damalige Geschichte so einseitig zu verklären? Was soll das ewige Genörgele, dass damals alles schlechter war? Da lese ich in einem Internet-Forum, dass ein Member des ewige Gerede über "in der DDR war alles besser“ zum Erbrechen findet, er reiht sich aber selbst in die Liga der "in der DDR war alles schlechter“ Motzer ein.

Irgendwie realisieren einige Bürger nicht, dass Emotionen und Befindlichkeiten weder damals noch heute einem sozialistischem Einheitsbrei folgten. Der eine machte diese Erfahrungen, der nächste andere. Teilweise sicher völlig entgegengesetzte Erfahrungen. Mit Sicherheit gab es auch sehr negative Auswüchse, die der ein oder andere Bürger zu spüren bekam. Das will ich beim besten Willen nicht in Abrede stellen. Aber man soll bitte nicht eine ganze Nation aufgrund von Einzelschicksalen beurteilen und diskriminieren.

Zum Thema "Kinderheime in der DDR“ gibt es sicherlich auch völlig andere Erfahrungen. Eine Freundin meiner Frau war auch jahrelang in einem Kinderheim. Ich fragte sie nie, was ihre Erfahrungen sind. Vielleicht hätte ich einen wunden Punkt erwischt über den man nicht gern redet. Selbst wenn es mir in Machern nicht schlecht erging, mag es auch andere Heime gegeben haben - und wer weiß wie der eine oder andere mit seiner Vergangenheit klar kommt. Vielleicht frage ich sie zur nächsten Grillparty, wenn eine halbe Flasche Weißwein schon im Blut zirkuliert.

Schon damals zu miener Machern-Zeit hörte ich von einem "Jugendwerkhof" und mir schwante nichts Gutes. Das muß sowas wie ein Knast für Kinder sein. Der "Jugendwerkhof" war der Schrecken aller Rabauken. Dahin wollte keiner. Torgau soll echt mies gewesen sein. Dazu habe ich selbst aber keine Erfahrung und keine definitive Meinung. Mein Vater sagte immer: „Wenn Du nicht weisst wovon du redest, hältst du lieber Deinen Mund.“. Richtig so. Und so rede ich von meinem Kinderheim, dem ehemaligen "Erich Zeigner" Kinderheim in Machern. Wenn nun User motzen möchten, dann bitte nur die, welche selber in Machern gelebt haben. Alle anderen, würde mein Vater sagen, sollten lieber ihren Mund halten.

Ich weiß nicht, inwieweit Machern anders als andere Heime war. Möglicherweise war es das einzigste liberale Kinderheim in der DDR. Keine Ahnung. Aber meine Erinnerungen sind meine Erinnerungen und kein Abklatsch aus irgendeinem meinungsbildenden Forum. Sie sind real, so unreal es manchem auch erscheinen mag. Ein Kinderheim ohne Härte, ohne Rotlichtbestrahlung und Umerziehung? Tja, liebe Genossen. Diese Erinnerung könnt ihr nicht aus der Welt schaffen...


Autor: nokiland


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Teil 1: Ein Leben im Kinderheim Machern
Teil 2: Erziehung statt Um-Erziehung
Teil 3: Begabungen und persönliche Entwicklung wurde gefördert
Teil 4: Schulunterricht in einem echten Schloss
Teil 5: Frust und kleine Freuden in Machern
Teil 6: Integration der Heimkinder in den Schulalltag
Teil 7: Die Kinderheime in der DDR waren keine Straflager für Schüler
Teil 8: Das Kinderheim in Machern nach der Wende
Teil 9: Das ganz persönliche Wort zum Sonntag