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Woher kommen die oft unglaublichen "Erinnerungen" aus der DDR?



Teil 3: Die Folgen eines jugendlichen Versuchs der Republik-Flucht


Der Gedanke, mal eben rĂŒber machen in den Westen ist schnell gedacht und manchmal auch genauso schnell umgesetzt. Aber wenn es schief geht, gibt ein böses oder zumindest unangenehmes Erwachen.

Es war schön, wieder Zuhause zu sein und zu spĂŒren, dass der Vater sich Sorgen machte. Und die Stasi, die Folgen meiner jugendlichen "Republik-Flucht"? Es gab keine Folgen. Meine Lehrerin wurde informiert und beim nĂ€chsten Schulausflug am Wochenende bekam sie gigantische Panik, weil ich zu lange allein im Wald war. Sie dachte, ich hĂ€tte mal wieder das Weite gesucht und sie mĂŒsse sich dafĂŒr verantworten. Ich musste mir eine Spitze anhören. Das war aber auch alles. Ich kam wegen meiner Republik-Flucht weder in ein Heim fĂŒr Schwererziehbare, noch wurde ich sonstwie penetriert.

Und dann lese ich BeitrĂ€ge, wo einer einen Witz ĂŒber die DDR machte und im Zuchthaus landete. Ohne jemand persönlich angreifen zu wollen, möchte ich behaupten, solche Geschichten sind einfach nur dreist erlogen und erfunden. Die Leute mögen bitte mit Dokumenten ihr Schicksal darlegen. ErzĂ€hlen kann man ja viel, wenn der Tag lang ist. Ich wurde in der DDR nie zu Unrecht "behandelt". Ich war mit 14 ein Republik FlĂŒchtling. Mit 18 demolierte ich im jugendlichen Leichtsinn mit Kumpels einen Waggon nach der Disco. Mit 19 verschob ich auf dem Schwarzmarkt West-Ware und Devisen. Und ich war einer der Ersten, die sich im Sommer 1989 ĂŒber Ungarn nach Österreich absetzten. Da haben die Ungarn noch auf mich geschossen.

Ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich ein Muster DDR-BĂŒrger war. Ich kann aber auch nicht behaupten, dass ich in der DDR gelitten habe. Weder politisch noch vom Konsum her. Selbst die GrĂŒnde fĂŒr meine abenteuerliche Flucht 1989 waren eher persönlich als politisch. Ich hatte eine Freundin, sie hieß Sylvia. Ihr Vater war recht vermögend und sie hatte mit 18 einen nagelneuen grĂŒnen Trabi. Sie mochte mich, aber ich war nur ein einfacher Arbeiter und Schwarzmarkt-HĂ€ndler. Ihre Eltern waren deshalb nicht mit ihrer Wahl einverstanden. Die Eltern hatten eine Firma, zwei HĂ€user und lebten im Konsum-Luxus. Wir wollten aber dennoch beisammen sein. Also möglichst weit weit weg in ein anderes Land und dort vom Neuen anfangen: in die BRD. Der Prinz und das Aschenbrödel. Wobei ich das Aschenbrödel war.


Autor: nokiland


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Teil 1: Woher kommen die oft unglaublichen "Erinnerungen" aus der DDR?
Teil 2: Fernweh im real existierenden Sozialismus
Teil 3: Die Folgen eines jugendlichen Versuchs der Republik-Flucht
Teil 4: Wenn zwei Systeme aufeinandertreffen