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Ein Leben im Kinderheim MachernTeil 7: Die Kinderheime in der DDR waren keine Straflager für SchülerMit dem Wort "Kinderheim" assoziiert der normale Bürger etwas Negatives. Auch heute noch. Obwohl Kinderheime heutzutage wie Ferienlager sind. Da würde ich auch gerne leben, wenn ich noch ein Kind wäre. Schon damals war das "Erich Zeigner" Kinderheim eine sehr liberale Einrichtung. Anfangs war mir auch mulmig zumute. Kinderheim, oje! Ungepflegte Unterbringung, dicke Erzieherinnen, die dich den ganzen Tag am Ohr durch die Gegend schleifen. Rationiertes Essen, schlampige Klamotten und von den Mitschülern gemieden. Man hörte ja oft die Drohung: „Wenn Du nicht artig bist, kommste ins Kinderheim!“. Das Kinderheim muss also etwas sehr schlechtes sein. Und mit dieser Meinung wurde ich "eingeliefert". Es mag viel an der Gewöhnung liegen, der jeder Mensch irgendwann unterliegt. Man gewöhnt sich an etwas. Redet es sich gut. Man denke an das Helsenki-Syndrom bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Aber vielleicht war das Kinderheim Machern wirklich positiv. Soviel Negatives kann man garnicht vergessen, dass insgesamt soviel Positives übrig bleibt. Es gab keine ausgesprochenen Bestrafungen. Nicht einmal als ich die "Mücke" machte. Wir wurden auch nicht weggesperrt. Vielmehr haben sich die Erzieher sich mit uns aktiv beschäftigt. Natürlich gab es eine Rangordnung innerhalb der Heimkinder, die nicht von den Erziehern festgelegt wurde. Es gab verschiedene Gruppierungen und nicht jedes Heimkind war ein Freund des anderen. Von der Heimleitung gab es aber keinen Stress. Manche Erzieher wurden mehr gemocht, vor anderen hatte man mehr Respekt. Völlig erstaunlich ist: Es gab keine Rotlicht-Bestrahlung im Kinderheim. Man mag ja glauben, eine streng geführte Einrichtung des Staates will die Kinder in perfekte Kommunisten umerziehen. Dem war aber nicht so. Ich kann hier wieder nur für das Kinderheim Machern sprechen, aber da gab es keine Umerziehung sondern eine Erziehung und Betreuung. Das Leben im Kinderheim war mit Sicherheit kein Zuckerschlecken. Schon das Zusammenleben mit vielen anderen Kindern, die man nicht immer mochte, war ein Härtefall. Geprügelt und gekabbelt wurde aber nur ganz selten. Man ging sich aus dem Weg. Prügelknaben gab es auch kaum bis garnicht. Denn die hätten mit Einschränkungen rechnen müssen. Die fehlende Privatspähre entsprach nicht der Normalität anderer Kinder. Viele Leute auf einem Haufen, wenig Platz für Privates. Ich weiß beispielsweise nicht mehr, wo ich ein Bild meiner Eltern aufbewahrte. Habe ich vergessen. Auch wenn es sowas gegeben haben muß. Schließlich hatte ich auch einen Platz für meine Elektronik-Basteleien. Man kann durchaus von einem eingeschränktem Leben reden, umstandsbedingt. Aber wir fühlten uns nicht wie in einem „Straflager“. An den Wochenenden besuchten unsere Angehörigen und Freunde uns. Als wir älter wurden, durften wir auch allein mit der S-Bahn übers Wochenende nach Hause fahren. |
Autor: nokiland |
Teil 1: | Ein Leben im Kinderheim Machern |
Teil 2: | Erziehung statt Um-Erziehung |
Teil 3: | Begabungen und persönliche Entwicklung wurde gefördert |
Teil 4: | Schulunterricht in einem echten Schloss |
Teil 5: | Frust und kleine Freuden in Machern |
Teil 6: | Integration der Heimkinder in den Schulalltag |
Teil 7: | Die Kinderheime in der DDR waren keine Straflager für Schüler |
Teil 8: | Das Kinderheim in Machern nach der Wende |
Teil 9: | Das ganz persönliche Wort zum Sonntag |