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Alltag
Ein Leben im Kinderheim MachernVon 1977 bis 1980 lebte ich im damaligen Kinderheim "Erich Zeigner" in Machern. Ich war acht Jahre alt. Meine Muttie war Invalide und brauchte meine Hilfe im Haushalt mehr als ich ihre. Vater saß im Armeeknast Schwedt. Am Anfang war das Heimleben garnicht schön. Alles so geregelt - und wer lebt schon gerne mit so vielen Kindern eng zusammen? Jeden Abend Schuhe putzen, Schlafraum mit 14 Kindern und Waschen im Gemeinschaftswaschraum in der ersten Etage. Mit Badewanne war da nichts. Schön mit Waschlappen von oben bis unten einseifen und abwaschen, auch wenn es kalt war, und frühmorgens war es manchmal bitter kalt. Ich war anfangs bei den "Kleinen". Wir hatten unseren Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss gegenüber dem Eingang. Zwei große Zimmer, verbunden durch eine große Flügeltür. Der kleinere rechts gelegene Raum hatte eine schöne Aussicht und der größere eine breite Glasfront mit Blick auf den Sportplatz. In diesen Räumen frühstückten wir, erledigten gemeinsam die Hausaufgaben und verbrachten die Freizeit, wenn das Wetter ein Spielen im Freien nicht erlaubte. Zu Weihnachten warteten wir gespannt bis der große Raum geöffnet wurde, denn dort gab es die Geschenke. Ja, Heimkinder bekamen in Machern Geschenke, die sich jeder selbst aussuchen konnte. Es gab Wunschzettel, auf die man Ware im Wert von 25 bis 35 Mark eintragen konnte. Die großen Kinder durften mehr in Anspruch nehmen als die Kinder der Grundstufe. Ich weiß aber wirklich nicht mehr genau, wie groß der Betrag war. Ich weiß nur: es war ein Tag, auf dem man das ganze Jahr gewartet hat. In der fünften Klasse, als ich schon in der Gruppe der "Großen" war, wünschte und erhielt ich einen Elektronik-Baukasten und wurde vollkommen zum Hobbyelektroniker. Davor bastelte ich mit aus alten Radios vom Sperrmüll gerupften Bauteilen. Meine erste funktionierende Schaltung war ein Multivibrator in einer Schuhcrem-Dose. Die Bauteile durch einen Pappboden gesteckt und mit Klingeldraht verbunden. Was ein Multivibrator ist? Eine Schaltung aus 2 Transistoren, wenigen Wiederständen und Kondensatoren zum Erzeugen von Signalen. Auch astabile Kippstufe genannt. Damit konnte ich "Tatü-Tata" Klänge erzeugen. Ich zeigte es herum und war verdammt stolz dass mein erstes "Projekt" funktionierte. Die Erzieher sahen mich allmählich als "hoffnungsvollen Lausbuben", der zwar Flausen im Kopf hat, aber auch an Dinge arbeitet, die er sich wünscht oder in den Kopf setzt. Durch ihr Staunen motivierten sie mich. Mit dem gewünschten Elektronikbaukasten konnte ich dann professionell basteln, für die Begriffe eines Kindes natürlich. Zwar machte ich daraus keinen Beruf, aber Jahre später half mir das Grundlagenwissen die Hardware eines Mikroprozessors im Computer zu verstehen. |
Autor: nokiland |
Teil 1: | Ein Leben im Kinderheim Machern |
Teil 2: | Erziehung statt Um-Erziehung |
Teil 3: | Begabungen und persönliche Entwicklung wurde gefördert |
Teil 4: | Schulunterricht in einem echten Schloss |
Teil 5: | Frust und kleine Freuden in Machern |
Teil 6: | Integration der Heimkinder in den Schulalltag |
Teil 7: | Die Kinderheime in der DDR waren keine Straflager für Schüler |
Teil 8: | Das Kinderheim in Machern nach der Wende |
Teil 9: | Das ganz persönliche Wort zum Sonntag |