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Mauer, Wende, Einheit
Wenn ein Land stirbtTeil 2: Im Spiegel der ErinnerungEs ist nur ein in Handarbeit gefertigter Schraubstock. Aber er steht für all die Erinnerungen, die nach dem Tode verschwinden. Zuerst verschwinden die Gegenstände von dir. Dann verschwinden die Gedanken an Dich. Mit jedem Gegenstand, der weggeworfen wird, werden Erinnerungen weggeworfen. Der Enkel des Nachlassgebers könnte seinen Kindern heute erzählen: "Schaut mal, das hat mein Opa gebaut, als er seinen Meistertitel machte. Damals, vor 50 Jahren, da war das noch so und so..." Die Erinnerung an den Ur-Opa würde weiter leben. Und dann fielen mir Parallelen zur "gestorbenen" DDR ein. Damals wurde alles weg geworfen was aus der DDR stammt und durch billige Westprodukte ersetzt werden konnte. Es genügte eine DDR Kaffemühle in der Wohnung und man erntete Blicke wie "Ist ja noch wie im Osten". Wer damals DDR Produkte weiter nutzte, hatten in den Augen der neuen Konsumenten kein Geld für "ordentliche" Westprodukte. Einige Resistente wehrten sich aber dagegen und heute ist es immer wieder ein Hingucker, wenn man bei jemand altbekannte Produkte sieht. Ein Sternradio R160? Ach, da fangen die Schwelgereien an. Aber erst einmal alles über Bord werfen was aus der DDR kam. Wenn ein Vaterland stirbt, geht es ihm wie dem Familienvater. Das meiste geht über Bord, nur wenige und möglichst materiell wertvolle Nachlässe werden behalten und verjubelt. Irgendwann erinnert man sich aber an ideelle Werte. Man wird älter und reifer, sammelte Erfahrungen und hat selbst ein Kind. Wo der Vater erst nur durch seine Strenge in den Erinnerungen verblieb, sieht man ihn im Alter in einem anderen Licht. Mann versteht, warum er dies und jenes sagte. Warum es so und nicht anders war, was er verlangte. Vieleicht kann man auch verstehen, warum in der DDR der Honecker Ära die Dinge so und nicht anders festgelegt wurden? Vielleicht kann man eines Tages auch nachvollziehen, was die Visionäre des Sozialismus einmal gewollt aber beileibe nicht realisiert haben. Der real existierende Sozialismus war ja nicht immer schön, aber die Ideen dahinter durchaus erstrebenswert. Denn Sozialismus heißt ja nicht Diktatur und Einheitspartei, auch wenn die DDR Führung gern von "Diktatur der Arbeiter und Bauern" sprach - im Gegenteil: Sozialismus fordert Eigenverantwortung des Bürgers. Eine Tugend die eigentlich nicht schaden kann in unserer konsumorientierten Welt in der sich alles um Gewinne und Bilanzen dreht. Was war gut oder vielleicht wertvoll. Was haben wir, die "DDR-Kinder" vielleicht zu schnell auf den Müll geworfen? Ein unverzeihlicher Fehler, der immer wieder gemacht wird, ist die Pauschalisierung der DDR. Nein, damit ist nicht die Frage gemeint ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Es geht schlichtweg um den Fakt, dass es im Laufe der 40 Jahre drei verschiedene "DDR" gab:
In der Zeit der Nachkriegsära mit der Sowjetischen Besatzungsmacht wurde die DDR im Grunde von der Sowjetunion gelenkt. Die Sowjetunion hatte so viele Machtbefugnisse in der DDR, dass sie Betriebe enteignete. Allein in Leipzig wandelte die Sowjetische Besatzungsmacht 635 Betriebe in sowjetische Aktiengesellschaften (SAG-Betriebe) um, welche bis Ende 1953 an die DDR als volkseigene Betriebe übergeben wurden. Das politische Klima war während dieser Zeit ein völlig anderes als die meisten Lebenden es noch kennen. Es gab Hinrichtungen zu jedem Anlass. Meine Oma wurde wegen angeblicher Spionage verhaftet und in ein sibirisches Arbeitslager verschleppt. Weil sie mit einem Typ nach Westberlin fuhr, der angeblich Dokumente in den Westen schaffte. |
Autor: nokiland |
Teil 1: | Wenn ein Land stirbt |
Teil 2: | Im Spiegel der Erinnerung |
Teil 3: | Die Ära Ulbricht |
Teil 4: | Die Ära Honecker |
Teil 5: | Der Blick über die Mauer |
Teil 6: | Der Blick nach vorn |
Teil 7: | Die Erben der DDR |