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Alltag
Ein Leben im Kinderheim MachernTeil 4: Schulunterricht in einem echten SchlossEin Teil der Schule in Machern war damals im Schloss untergebracht. Allerdings waren es bis dahin 25 Minuten Schulweg bei Wind und Wetter.
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einem in Erinnerung bleiben. Ich weiß noch heute, wie im Unterricht ein Lehrer in die Klasse gestürzt kam und euphorisch verkündete, dass man soeben zum ersten Mal ein Atom im Rasterelektronen Mikroskop gesehen hat. Das war ein Ereignis! Auch wenn man garnicht so richtig wusste, was ein Atom war, so schien es eine wichtige Sache gewesen zu sein. Einmal bin ich mit ein paar Freunden aus dem Heim abgehauen. Ich weiß nicht mehr warum und was das Ziel war. Mich beschleicht der Verdacht, dass ich damals das Heimleben wohl doch nicht immer so super fand. Oder vielleicht war es einfach nur die Abenteuerlust. War ja auch richtig abenteuerlich. Wir liefen über endlose abgeerntete Felder und sammelten Maiskörner, die wir zur Not-Nahrung erklärten. Es war eine sengende Hitze und der Acker staubte. Geschlafen haben wir in einer Scheune voller Heu. Kurz vor Leipzig, nach 20 Kilometer war die Reise auf der Landstraße zu Ende. Die Konsequenzen? Ich glaube Taschengeldsperre und ein ganz schön schlechtes Gewissen. Abenteuerlich waren aber auch die Nachmittage im Dorf, dem Park. In Machern gibt es eine alte Burgruine im Park. Eine kleine Pyramide ist auch dabei. Sie ist die Gruft der damaligen Adligen. Im Schloss war unsere Schule untergebracht, ein Teil davon zumindest. Als es noch keinen Schul-Neubau gab, war der Schulbetrieb auf zwei Gebäude verteilt zwischen denen wir wechseln mussten. Im Schloss war Deutsch, Mathe und Sport angesagt. Es war cool, in einem Schloss zu lernen. Und irgendwann schnappten wir das Gerücht auf, es gäbe einen Geheimgang vom Schloss aus, unter dem Teich hindurch zur Pyramide und weiter zur Burgruine. Das war natürlich interessant und wir verbrachten in der Truppe viel Zeit im Park. Irgendwie schafften wir es in die Ruine von oben herein und fanden einen verschütteten Gang. Na ja, weit kamen wir nicht, aber schon der Gedanke war abenteuerlich, dass wir möglicherweise in dem Gang standen, der unter den ganzen Park führt. Das Essen war gut. Jeden Morgen gab es Puddingsuppe mit Zwieback. Das war lecker! Muß ich auch mal wieder einführen. Abends saßen wir gemeinsam zu Tisch. Den anschliessenden Tischdienst übernahmen wir Kinder nach einem festgelegten Plan. Und wer Tischdienst hatte, kam in die Küche rein und konnte dort etwas außer der Reihe abstauben wie Bockwürste oder Salami. Einmal hat sich unsere Jungs-Bande nachts über den Essenfahrstuhl in die Küche geschlichen und geräubert. Rein in den kleinen Lift und einer schickte uns runter. Im Inneren waren ja keine Knöpfe, der Essensaufzug wurde von außen bedient. Das war einer der typischen Lausbuben-Streiche an die ich mich noch heute erinnerte. |
Autor: nokiland |
Teil 1: | Ein Leben im Kinderheim Machern |
Teil 2: | Erziehung statt Um-Erziehung |
Teil 3: | Begabungen und persönliche Entwicklung wurde gefördert |
Teil 4: | Schulunterricht in einem echten Schloss |
Teil 5: | Frust und kleine Freuden in Machern |
Teil 6: | Integration der Heimkinder in den Schulalltag |
Teil 7: | Die Kinderheime in der DDR waren keine Straflager für Schüler |
Teil 8: | Das Kinderheim in Machern nach der Wende |
Teil 9: | Das ganz persönliche Wort zum Sonntag |