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Eigenversorgung in der ehemaligen DDR



Teil 3: Versorgung über die Obstbäume der Landstraßen


In der DDR war niemand gezwungen, sich selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen. Aber mit Sicherheit konnte man dadurch Geld sparen und war unabhängiger von der Versorgungslage.


Obstversorgung über die Landstraße bot Äpfel ohne Ende
Im Grunde war es jedoch eher unsere Mentalität. Unsere Omas mussten sich nach dem Krieg einen Kopf machen, wo etwas Essbares herkommt, unsere Väter kannten aus ihrer Kindheit auch noch ein paar Engpässe in der Versorgung und so wurde dieses gärtnerische Faible einfach länger vererbt als im westlichen Teil des Landes. Und es war auch wunderbar, wenn man sein Essen selbst suchte und verarbeitete. Noch heute freue ich mich über selbst gemachte Marmeladen oder Riesengurken aus Schwiegermutters Garten. Es ist einfach etwas anderes, als es billig im Laden zu kaufen. Dahinter steckt viele Liebe zur Arbeit.

Aber nicht alles musste selbst gepflanzt werden. Manches lieferte die Natur auch frei Haus. So standen beispielsweise an den Landstraßen um Naunhof herum viele Obstbäume. Die Leipziger Landstraße ist auch heute noch von Apfelbäumen umrahmt. Dort holten wir Äpfel für Apfelmus und zum Einlagern im Keller. Es sind eher spätreifende Sorten die etwas härter sind. Aber man staune, aus was für Apfelsorten sich alles leckerer Apfelmus machen läßt.


Von der Natur arrangiert und kostenlos am Straßenrand verfügbar
Von der Natur arrangiert und kostenlos am Straßenrand verfügbar 
Foto:Maecker 

Auf der Erdmannshainer Straße stehen einige riesige Birnenbäume und Pflaumenbäume. Weil der eigene Pflaumenbaum im Garten nicht genügte, ging es Abends in die Erdmannsheiner Straße rein. Wir waren nicht die einzigen Pflücker, aber die vielen Bäume waren recht ertragreich. Zentnerweise landete das Obst auf der Straße und wurde von Autos überfahren. Man musste sich dort nur bedienen und das Obst einsammeln.

Ebenfalls auf der Erdmannsheiner Straße gab es eine Weide, unsere "Kuhweide". Wer nicht aufpasste und nur nach oben schaute, landete schnell in einem Kuhfladen. Aber dafür gab es dort massig süßer Kirschen und auch Pflaumen. Meine Oma backte den besten Pflaumenkuchen. Und da das Obst schließlich kostenlos war und die Zutaten nicht die Welt kosteten, gab es im Spätsommer jeden Tag Kuchen für die Kinder.

Im Nachbarort Köhra gibt es eine Straße, die ausschließlich Süßkirschen trägt. Da war dann Obst für ganze Dörfer da. Warum der Staat das nicht erntete und Tonnen von Obst verfaulten? Keine Ahnung. Offenbar reichten die Pflanzungen der LPG für alle aus. Es musste kein Bauer umständlich am Straßenrand nach Obst angeln und aufpassen nicht überfahren zu werden. Das war damals wohl zu uneffektiv. Letztes Jahr sah ich jedoch eine Firma mit Kleinwagen Äpfel in Naunhof ernten. In wessen Auftrag ist mir nicht bekannt. Die Bäume mögen der Kommune gehören. Taten sie auch damals, nur dass jeder sich selbst bedienen durfte an den Früchten, ohne dass man sich als Landstreicher oder armer Mensch fühlen musste. Und schließlich muss man sich einmal den wirtschaftlichen Vorteil vorstellen: Das ganze Jahr eine Eigenversorgung von Obst aller Art, wobei nur die Stromkosten, Gummiringe der Einweggläser und Zucker anfielen. Die Gläser wurden ein Leben lang benutzt. Wofür man heute viele hunderte Euro im Jahr zahlt, falls man sich soviel Obst wie damals leisten möchte, wurde von den Landstraßen geholt. Erst letztes Jahr war ich wieder mit meinem Sohn auf Obsternte, um ihm zu zeigen wie man sich damals selbst verpflegen konnte, ohne auch nur eine Mark ausgeben zu müssen.


Autor: nokiland


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Schlagwörter: Eigenversorgung Versorgungsengpässe


Teil 1: Eigenversorgung in der ehemaligen DDR
Teil 2: Eigenanbau von Gemüse, Obst und Kräuter im Garten
Teil 3: Versorgung über die Obstbäume der Landstraßen
Teil 4: Hasen, Hühner und Gänse aus eigener Zucht
Teil 5: Eigenversorgung über den Wald
Teil 6: Holzversorgung erlaubte unglaublich geringe Heizkosten
Teil 7: Unterschiede bei der Selbstversorgung auf dem Land und in der Stadt
Teil 8: Warum war die Eigenversorgung in der DDR so ausgeprägt?