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Mauer, Wende, Einheit
Rechtsradikale in den Neuen BundesländernTeil 2: Viele Fragen - wenige AntwortenWas bleibt im Kopf eines Jugendlichen, wenn man ihm nimmt was seine Persönlichkeit, seine Ziele und Hoffnungen waren? Ein Freund war vor der Wende ein begeisterter Mitarbeiter der Deutsch sowjetischen Freundschaft (DSF) in Leipzig. Er hatte eine Funktion, die seiner Persönlichkeit entsprach. Er stellte sich gern hervor, redete beispielhaft und glänzte mit Rhetorik. Seine Ziele waren Anerkennung und ein gutes Leben. Als die Wende kam, gab es die DSF nicht mehr. Seine Persönlichkeit war nicht mehr gefragt und ein gutes Leben in der BRD als Agitator der "sowjetischen Freundschaft" nicht möglich. Wir verloren uns aus den Augen. Jahre später traf ich ihn wieder. Aus dem intellektuellen und systemtreuen war ein Rechtsradikaler geworden. Mitglied der NPD und angestellt bei einem Leipziger Parteivorsitzendem. Wie konnte so ein Wandel passieren? Die Wende beraubte meinen Freund um seine gesellschaftliche Identifikation, stellte ihn gesellschaftlich kalt. Er suchte eine neue Orientierung und fand Antworten in der rechten Szene, die ihn gern auf nahm. Begünstigt wurde bei vielen die Sensibilisierung für rechtes Gedankengut durch ihre ersten Erfahrungen im neuen Deutschland. Man beachte die dreiste Frechheit, dass das Volkseigentum der DDR nicht dem Volk der ehemaligen DDR zu gute kam, sondern dass über 95% des Volkseigentums der DDR an Bürger aus der ehemaligen BRD gingen. Über 40 Jahre lang trugen die Bürger der DDR wie Wirtschaft ihres Landes und dann verkauft die Treuhand sie an Käufer aus einem fremden Land. Dem auszubildenden KFZ Lehrling wurde das Automobilwerk geschlossen, er wurde arbeitslos. Welche Antwort konnten seine Eltern ihm geben, als er fragte: "Mit was soll ich jetzt Geld verdienen, was habe ich für eine Zukunft, was kann aus mir noch werden und wer ist Schuld an all dem?". Die Eltern hatten keine Antwort, sie plagten dieselben Fragen. Antwort hatten aber andere redegewandte Reisende aus den alten Bundesländern. Die Kommunisten und Ausländer haben Schuld. Haben nicht die Kommunisten 95% des Volkseigentums an den Westen verramscht? Oder die importierten BRD Manager und Politiker? Millionen junger Bürger aus der DDR hatten Fragen und bekamen auch ihre Antworten. Wohin diese führten, wissen wir heute. Man sollte rechtsradikalen Bewegungen keine Plattform oder Freiraum bieten und energisch dagegen vorgehen. Aber die Rechtsradikalen sind auch nur Opfer und Geschöpfe der Politik während der Wendezeit. Egal ob der Imbißwagen eines türkischen Dönerverkäufers, die türkische PKW Handlung an der nächsten Straßenecke, wo 1989 noch ein Kinderspielplatz war, oder der marokkanische Gras-Dealer in der neuen Spielothek eines Hamburger Wirtschaftsflüchtlings - sie alle profitierten mehr von dem Mauerfall in der DDR als die meisten DDR Bürger. Letztere sahen sich nicht als Gewinner, sie waren Kunden ausländischer Geschäftemacher aller Art. Sie fühlten sich weniger angesehen und wertvoll als Dönerbuden-Besitzer Halumi. Der konnte sich Nachts mit seinen dicken Goldketten in eine gute Disko setzen und sich mit den naiven Ost-Schönheiten schmücken. Azubi Holger aus dem Plattenbau hatte nicht einmal den Eintritt für eine Dorfdisko. Während er stolz auf einen alten Golf I war, fuhren die braun gebrannten Mädels seines Wohnortes in den gebrauchten Nobelkarossen von Kleinganoven und Westbürgern durch die Gegend, die nicht einmal richtig deutsch reden konnten. Das war anfangs kein "Rassenhass". Es war einfach nur dass Gefühl im eigenen Land ungerecht behandelt zu werden, dass man in seinem eigenen Land, in dem man geboren wurde, plötzlich zur gesellschaftlichen Randgruppe wurde. Selbst Kleinkriminelle hatten ab der Wendezeit mehr gesellschaftliches Ansehen als der arbeitslos gewordene Vater zweier Kinder. In Leipzig entwickelten sich zwei Brüder von Einbrechern zu angesehenen Baulöwen. Zuhälter erpressten hohe Beamte der Stadt Leipzig und stiegen in den Immobilienhandel ein. Einem hohen Richter wurde eine Verbindung zur Kinderprostitution nachgesagt. Das war nicht die Zukunft, die Jugendlichen aus der DDR wollten. Sie suchten nach Auswegen, hatten Fragen über Fragen. Die Antworten darauf gaben rechtsorientierte Agitatoren aus den alten Bundesländern. Und das recht schnell. |
Autor: nokiland |
Teil 1: | Rechtsradikale in den Neuen Bundesländern |
Teil 2: | Viele Fragen - wenige Antworten |
Teil 3: | Ein Volk ohne Zukunft? |