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Kriminalität in der DDR



Teil 2: Wie zuverlässig sind die Kriminalstatistiken aus der DDR?


Das statistische Jahrbuch der DDR meldet für 1989 je 100.000 Einwohner 601 erfasste Straftaten. Das Bundeskriminalamt weißt dem selben Jahr 1989 mehr als 7.031 erfasste Straftaten je 100.000 Einwohner aus. Waren die Bürger der DDR ein friedfertiges Volk oder stimmen die Statistiken nicht?

Auch im Jahr 2009 meldete das Bundeskriminalamt 7.383 erfasste Straftaten. Der höchste Wert seit 1987 wurde im Jahr 1993 mit 8.336 Straftaten je 100.000 Einwohner registriert. Wie hoch ist jedoch die Aussagekraft solcher Statistiken bei Einschätzungen zur Veränderung der Kriminalität? Sie ist teilweise begrenzt. Aufgenommen wird die polizeilich registrierte Kriminalität, die sogenannte „Hellfeld“-Kriminalität. Die Dunkelziffern können allerdings nicht erfasst werden, sie werden lediglich geschätzt. Eine prozentuale Ableitung der Dunkelziffern anhand der registrierten ("Hellfeld") Straftaten ist nicht zuverlässig, da viele Faktoren das Anzeigeverhalten der Opfer bestimmen. Vor den letzten Berichterstattungen über Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen hielt man die Dunkelziffer relativ gering. Je mehr Opfer aber an das Tageslicht traten, desto deutlicher wurde das wahre Ausmaß. Immer mehr Opfer stellten Anzeigen und die Dunkelziffererhöhte sich. Das Anzeigeverhalten wurde durch die Berichterstattungen der Medien gesteuert.

Das Anzeigeverhalten wird weiterhin von Demografischen Gegebenheiten beeinflusst. An einem Ort mit sozial schwacher Bevölkerung werden prozentual weniger Körperverletzungen zur Anzeige gebracht als in einem Nobelviertel, wo jeder verzogene Jugendliche die Polizei oder den Papa ruft, wenn er einmal angerempelt wird. Auch die polizeiliche Kontrolldichte beeinflusst Statistiken zur Kriminalität. An Orten mit erhöhter Polizeipräsenz gelangen mehr Straftaten aus dem Dunkelfeld in das sogenannte "Hellfeld". Eine erhöhte Polizeipräsenz führt nicht zu einer erhöhten Kriminalität, wie man anhand des "Lüchow-Dannenberg-Syndrom" vermuten könnte, sondern zu einer höheren Erfassungsdichte von Straftaten. Nach dem Motto: "Mehr Polizisten sehen mehr".

Wie steht es jedoch mit der Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken aus der DDR? Waren die Bürger der DDR wirklich ein friedfertiges Volk fleißiger Zwerge? Das Anzeigeverhalten in der DDR erreichte nicht in jedem Bereich 100%. Körperverletzungen kamen weniger zur Anzeige, die Dunkelziffer dürfte höher liegen als in der BRD im Jahre 1989. Es gehörte in der DDR nicht zu einem "echten Kerl", gleich zur Polizei zu laufen, wenn man in der Disko bei dem Streit um eine Jungfrau dem Kontrahenten unterlag. Wer sich einvernehmlich mit einem anderen um eine Sache prügelte und unterlag, rächte sich nicht durch eine Strafanzeige. Im Bereich Diebstahlsdelikte muss man zwischen Diebstahl an Privateigentum und Diebstahl an Volkseigentum unterscheiden. Fehlte im Keller die Bohrmaschine, führte der Einbruch oft zu einer Anzeige. Fehlte in einem Betrieb eine Bohrmaschine, war sie einfach weg und gut ist. Meistens jedenfalls. Es sollte halt nicht zu oft passieren. Der Begriff Volkseigentum wurde sehr lasch interpretiert.

Dem nicht immer positiven Anzeigeverhalten entgegen stand die sehr hohe polizeilichen Kontrolldichte. Abschnittsbevollmächtigte durchstreiften einsam ihre Straßen, die Polizeistationen schickten zusätzlich Zweier-Trupps durch die Gegend und Polizeiautos durchkämmten im Schneckentempo die Stadt. Das Risiko, bei Einbrüchen, Fahrraddiebstahl, Raub oder anderen an öffentlichen Orten ausgeführten Straftaten erwischt zu werden, war sehr hoch.

Die im "statistischen Jahrbuch der DDR 1990" ausgewiesenen 601 Straftaten je 100.000 Einwohner belegen ein relativ reales Zeugnis der Kriminalität. Wo das Anzeigeverhalten die Werte der Hellfeld-Statistik abmildert, rückt die hohe polizeilichen Kontrolldichte das Verhältnis aus Dunkelziffer und Hellfeld-Statistik wieder zurecht. Es darf auch nicht vergessen werden, dass aus der BRD bekannte System- und gesellschaftliche Aspekte in der DDR nicht vorhanden waren und somit auch keine Straftatenprovozierten. Dazu zählen die Beschaffungskriminalität, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder beispielsweise auch Anzeigen wegen "Schwarzarbeit". Die DDR war froh, wenn Bürger auch nach der offiziellen Arbeitszeit dem Sozialismus mit ihrer Arbeitskraft dienten. Das hieß dann "Feierabendarbeit", wurde gefördert und durch Gesetze reglementiert. Es gab Vorschriften, was ein Feierabendarbeiter ("Schwarzarbeiter") für seine Leistungen berechnen durfte. Wer "pfuschen" ging, brauchte auch keine Gewerbeanmeldung und konnte nicht gegen die Gewerbeordnung verstoßen. Im Arbeiter- und Bauernstaat der DDR hatte nicht nur jeder ein Grundrecht auf Arbeit, er durfte auch soviel arbeiten und verdienen wie er wollte und konnte, ohne mit einem Gesetz in Konflikt zu geraten und letztendlich als Straftäter im Gefängnis zu enden. Im Gegenteil, er wurde geachtet und belohnt.

An diesem Beispiel sehen wir sehr deutlich, wie jedes System dank ihrer Gesetze Straftäter "produziert", oder auch nicht. Man müsste aus den Kriminalstatistiken der BRD all die Drogendelikte, Steuerhinterziehungen, Fälle von Schwarzarbeit und vieles mehr entfernen, um einen realistischen Vergleich mit der DDR zu erlangen. Denn natürlich weißt die DDR Statistik weniger Straftaten aus, wenn es keine Drogendelikte oder Fälle von "Schwarzarbeit" gab. Ein Vergleich der „wirklichen“ Straftaten lässt die DDR aber dennoch in einem besseren Licht dastehen, wie man bei genauerer Vergleiche der Statistiken herausfinden kann.


Autor: nokiland


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Schlagwörter: Straftaten Verbrechen Kriminalstatistiken Kriminalität DDR


Teil 1: Kriminalität in der DDR
Teil 2: Wie zuverlässig sind die Kriminalstatistiken aus der DDR?
Teil 3: Die Top-Ten der Straftaten in der DDR